Ochsenfrosch und Pickelhaube
Hofolding – Was für eine treffliche Gaudi: Wenn Gäste einer Pension plötzlich unwissentlich zu Patienten einer Irrenanstalt werden, führt das zu herrlichen Verwicklungen. Zu welchen, das zeigt die Theatergruppe des TSV Hofolding in ihrem neuesten Stück „Pension Schaller“. Der Dreiakter unter der Leitung von Manfred Ürmösi glänzt durch Esprit, Wortwitz und grandiose Darsteller.
Es gibt recht schräge und doch überaus liebenswerte Charaktere. Manfred Ürmösi, seit 18 Jahren Leiter der Hofoldinger Theatertruppe, hat sie auf die Bühne der Turnhalle gezaubert. Das Stück würzte er mit einer ordentlichen Portion Lokalkolorit. Da ist zum einen der ehemalige Bauer und Rentier Hallberger, der eine Irrenanstalt eröffnen will. Souverän gespielt von Erwin Huber in einer Hauptrolle. Ihm zur Seite steht sein Neffe Albert (Andreas Zeller), der ihm aus Geldnot die Gäste der Pension Schaller als Patienten präsentiert, nachdem er irrtümlich dachte, sein Onkel plane ein Freudenhaus im ehemaligen Gasthof Lutterschmid! Der junge Mann ist bis über beide Ohren in Elisabeth, die Tochter der Pensionschefin, verknallt. Lisa Jaensch spielt die forsche junge Kellnerin mit sympathischer Präsenz. Es ist übrigens ihr erster Auftritt mit der Theatergruppe. In ihrer Rolle begehrt sie zunehmend gegen ihre Mutter auf, die Pensionschefin. Diese wiederum, dargestellt von der stimmgewaltigen Gabi Tegel, sieht sich eher als Opernsängerin. Mit Grandezza und gekonnt dissonant, trällert sie beseelt ins Publikum.
Auch sie hat einen Neffen: Wilhelm, der gern Schauspieler wäre. Leider ist da aber der Sprachfehler, den er schlicht ignoriert. Er kann kein L sprechen, ersetzt es durch ein N. Mit viel Komik verkörpert Robert Huber den naiven jungen Mann und spielt sich im Handumdrehen in die erste Reihe. Wenn er beispielsweise den „Othenno“ (Othello) gibt, aus Schillers „Kabane und Niebe“ zitiert oder beschreibt, wie er zu Weihnachten mit „Kning Gnöckchen, kningeningening“ glänzt - dann tobt der Saal. Aus einem Schrank befreit, ringt er nach „Nuft, Nuft!“. Er sammelt die Lacher. Dafür gibt es auch für ihn später ein Happy End: Wilhelm geht zum Stummfilm, der gerade aufkommt. Das Stück spielt um die Jahrhundertwende herum. Entsprechend zeigt das Bühnenbild eine gediegene Pension mit Spitzendeckchen und Co. Später, im dritten Akt, wird daraus die bäuerliche Stube Hallbergers.
Auftritte mit „Patientenpotenzial“ haben alle Gäste der Pension. Da wäre die Heimatautorin Cilly Groß-Glockner - verträumt, einfältig und mit einer ausufernden Fan-tasie gesegnet. Petra Heine spielt sie mit herrlich verklärtem Blick. Dann gibt es den Abenteurer Leo Reisinger, den Wolfgang Ürmösi, der Bruder des Spielleiters, dar-stellt. Egal ob als Cowboy oder Löwenbändiger: Die Figur platzt vor Selbstbewusstsein und markigen Sprüchen und kassiert dafür fleißig Szenenapplaus. Grandios, wie er den Paarungsruf eines Kurzschwanz-Makaken nachäfft oder mit vollem Körpereinsatz einen Ochsenfrosch mimt. Immerhin erringt er so die Liebe von Centa Hallberger, der Schwester des Bauern. Claudia Geyer spielt die spröde, sehnende Jungfer mit Herz und pfiffigem Mutterwitz. Abschließend ist da noch der Oberst von Schlag. A.D., versteht sich. Den gibt der Spielleiter selbst. Mit Pickelhaube und Backenbart erobert er das Publikum im Sturm. Überraschende Situationskomik, sympathische Darsteller und eine tolle Geschichte: Was braucht ein Theaterabend mehr. Dafür gab’s am Ende langanhaltenden, verdienten Applaus.
KATHRIN KOHNKE